Song about you - Roman by Bastei Lübbe

Song about you - Roman by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2014-01-14T16:00:00+00:00


MARK

MARK HAT DEN FEDEX-BRIEF AM MONTAG BEKOMMEN. Denise soll am Freitag kommen, um Beckys Sachen abzuholen. Jetzt ist es Mittwoch, und nach zwei Nächten auf der einst mit Becky geteilten Matratze ist er bereit zum Auszug; bereit, das Geld vom Wagenverkauf zu nehmen und abzuhauen, einfach irgendwohin zu gehen, und sei es nur das Copley Plaza, um dort ein paar Tage mit den Reichen zu verbringen.

Im sicheren Wissen, in nächster Zeit nicht für Ferngespräche zahlen zu müssen, scheucht er Josh in seinem Apartment in Edinburgh auf, wo dieser im Rahmen eines undurchsichtigen Studienprogramms über internationale Politik irgendetwas Undurchsichtiges für sein Forschungsprojekt über das schottische Parlament treibt – wobei Mark sich eingestehen muss, jedes Mal abgeschaltet zu haben, wenn Josh ihm die Einzelheiten zu erklären versuchte.

Nachdem er Josh die ganze Geschichte erzählt hat, inklusive der Verwüstung des Apartments, die ihm bereits wieder peinlich ist, der Josh aber aus ganzem Herzen zustimmt, sagt er: »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich meine, ich sollte mir wahrscheinlich eine Wohnung suchen oder so, aber ich … ich kann mich zu nichts aufraffen.«

»Warum kommst du nicht rüber und hängst ein wenig ab? Ich hab das Apartment noch bis zum Monatsende. Besorg dir von deinem Lexus-Geld ein Flugticket und komm! Es ist schön hier, das Bier ist großartig. Hält dich vielleicht davon ab, den ganzen Sommer über Trübsal zu blasen.«

Mark verschlägt es die Sprache. Er versucht, eine Liste mit Gründen zusammenzustellen, warum es ihm geradezu unmöglich ist, alles stehen und liegen zu lassen und nach Edinburgh zu fliegen. Er findet nichts – findet keinen einzigen Grund, es nicht zu tun.

Er legt auf und bucht einen Flug ab New York, sodass er in fünf Tagen seinen einmonatigen Aufenthalt in Schottland antreten kann. Er hatte noch nie den brennenden Wunsch verspürt, nach Schottland zu reisen, aber er verspürt den brennenden Wunsch, Boston eine Weile lang so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Trotz der Tatsache, dass Josh arbeiten muss und wahrscheinlich jeden Abend eine Stunde lang mit Elizabeth telefoniert, dürfte er mit ihm vermutlich mehr Zeit verbringen als jemals seit der Highschool.

Am Freitagmorgen wird er den Zug nach New York nehmen, dort für einige Tage in einem Hotel bleiben, bevor er abfliegt. Damit bleibt ihm der heutige Tag, um seine Sachen in ein U-Store-Lager im South End zu schaffen – sollte nicht mehr als ein paar Stunden dauern, es gibt ja nicht viel von seinen Besitztümern, die ihn nicht schmerzlich an Becky erinnern würden. Einige Bücher, seine Kleidung für die Schule, Fotos, allerdings nur jene, auf denen weder rock_l noch Becky abgelichtet sind, ein Album scheint also zu genügen. Zwei Taxifahrten zum U-Store, mehr nicht.

Als er die Trümmer seiner nun fast ehemaligen Wohnung betrachtet, beschleicht ihn eine seltsame Gefühlsmixtur. Er ist peinlich berührt und freut sich zugleich über den von ihm angerichteten Schaden. Er hasst Becky, hasst sie wie die Pest, weil sie ihm drei Jahre seines Lebens gestohlen hat, aber er vermisst sie auch oder vermisst jedenfalls das Bild von ihr, das er für das wahre, ehrliche gehalten und das sich als eine so kranke, perverse Lüge herausgestellt hat.



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